Mühlengeschichte des Mühlendorfs Räbke
Nachwort „Kleines Dorf mit großer Papiergeschichte“
Weitere Auszüge aus Veröffentlichungen von Joachim Lehrmann
Joachim Lehrmann, Autor wertvoller Publikationen über die Räbker Buch- u. Papiergeschichte stellt fest : „Bislang war ‚Niedersachsens Papiermacherdorf‘ – und mit nichts anderem haben wir es im Falle Räbkes zu tun – in der Technikgeschichte und Papierhistorie völlig unbekannt. Doch allmählich dringt die über eine lange Zeit herausragende Stellung unseres kleinen Mühlendorfes (das auch in diesem Aspekt einen vordersten Platz in Niedersachsen einnehmen dürfte – s.o.) innerhalb der Papiergeschichte dieses Bundeslandes auch in das Bewusstsein der einschlägigen Geschichtsschreibung.“
Zweifellos sind einige Premieren und Besonderheiten, die Papiermacher-Profession in Räbke betreffend, anzuführen : Wie Buch und Papier bzw. Schwarze- und Weiße Kunst zusammengehören, so beginnt dies sogleich mit der engen Verquickung dieses seinerzeit noch neuen Gewerbes mit der immensen Buchproduktion, betrieben an der Alma Mater Julia zu Helmstedt – einer damals reichsgeschichtlich bedeutenden Universität, und zwar in Verbindung mit der wirtschaftlich potenten und international agierenden Patrizier- und Buchhändlerfamilie Brandes !
Es folgt die Ära der in Wasserbauwerken überaus versierten Müllerdynastie der „Wanschapen“ und das erste Holländische Geschirr auf dem Boden „Niedersachsens“. Darüber hinaus sehen wir uns beeindruckt von den enormen Versicherungs- und sogar erzielten Verkaufssummen der Papiermühlen, die selbst mit Schlössern des Adels verglichen wurden (s. a.a.O.: Lehrmann).
Schließlich ist die besondere Konzentration und Leistungsfähigkeit dieses Gewerbezweiges im Standort Räbke zu konstatieren.
Die Profession hatte sich in der hiesigen Mittelmühle von Anfang an derart gut bewährt, dass es von dieser ausgehend zu einer ganzen Reihe von – wenngleich manchmal kriegsbedingt nur kurzlebigen – Folgegründungen kam : vor dem 30-jährigen Krieg zu Salzdahlum und mit einiger Wahrscheinlichkeit auch nochmals zu Räbke. Nach dem Kriege folgten der neu gegründeten Mittelmühle deren zwei in Räbke sowie die nach Räbke hin gelegene Frellstedter Obermühle (Wahnschaffe).
Damit arbeitete zu Beginn des 18. Jahrhunderts hier die enorme Zahl von vier Papiermühlen. Nirgendwo in Niedersachsen befanden sich derart viele Papierfabrikationsstätten auf so engem Raum.
Wir hatten ausgeführt, dass nach dem Ausfall der Frellstedter sowie der Fürstlichen die verbleibenden Manufakturen ihre Technisierung weiter ausgebaut hatten, sodass hier im 18. Jahrhundert zumeist drei und zeitweise gar vier Bütten in Betrieb waren – uneingedenk der praktizierten Nachtschichten : einmalig für das Gebiet des heutigen Landes Niedersachsen und unbedingt herausragend in Deutschland !
Dass diese Leistungs- sowie Qualitätsmerkmale bis in die Zeit der industriellen Papiererzeugung durchgehalten wurden zeigen mehrfach wiederkehrende Bezeichnungen wie „Holländische Papiermühle“ und Papier, „welches sich im ganzen Lande nicht hat finden lassen” etc., und schließlich die Aufstellung einer der allerersten Papiermaschinen in „Niedersachsen“.
Eine weitere Premiere und Besonderheit stellte 1755 die Räbker Fabrikation des ersten Zierrandpapiers für Niedersachsen dar – beste Sorten des Schreib- und Briefpapiers (Einladungspapier) mit aufwendigem Wasserzeichen, ein Spitzenprodukt und Renommee jeder größeren damaligen Papierfabrik ! Bei diesen exquisiten Papieren steigerten sich die Räbker Produktionsstätten zu ausgefallenen Kunstwerken und hielten die höchste Anzahl verschiedener Motive und Ausführungen, welche ein Standort der Papierfabrikation in Niedersachsen auf sich zu vereinigen vermag. Und nicht zuletzt sei auf die technologischen Forschungsarbeiten hingewiesen, welche in Räbke stattfanden – gerade auch mit zukunftsweisenden Materialien ! Unser kleines Dorf besetzt allein hiermit einen vordersten Platz in der großen Geschichte der weltweiten Papierhistorie auf dem Weg zum Holzpapier !
Weitere inhaltlich sehr beeindruckende Details zur Geschichte der Räbker Papiermühlen finden sich in :
Joachim Lehrmann : Die Frühgeschichte des Buchhandels und Verlagswesens in der alten Universitätsstadt Helmstedt sowie die Geschichte der einst bedeutenden Papiermühlen zu Räbke am Elm und Salzdahlum, Lehrte, 1994, Hardcover, DIN A4, 369 S., reich bebildert.
Joachim Lehrmann : Räbke. Niedersachsens altes Papiermacherdorf. Einst Standort bedeutender Papiermühlen. Hrsg. Räbker Förderverein Mühle Liesebach e.V. 2014.
Beitrag der Mittleren Räbker Papiermühle an der Erfindung des Holzpapiers :
Joachim Lehrmann : Braunschweigische Pioniere – und die Erfindung „einer neuen Art Papier von Holtz Materie“.
Online lesbar in :
Braunschweigische Heimat. 103. Jahrgang, Nr. 3/2017, S. 13–20
Die Bücher, übrigens mit zahlreichen Wasserzeichen der behandelten Mühlen ausgestattet, sind über den Vorsitzenden des Vereins erhältlich.
Die Ross-Ölmühle
Nach J. Lehrmann : Sie hat die Ass.-Nr. 7
Seit 1741 bemüht sich der Kotsasse Christian Bertram darum, eine Ross-Öhlmühle anlegen zu dürfen, und seit 1754 wird sie in Räbke genannt.
1779 erbot sich der Oberamtmann Wahnschaffe, diese „von Pferden umgetriebene“ Ölmühle – anstelle seiner zur Ölmühle umgebauten ehem. Fürstl. Papiermühle – zu aquirieren und zu demolieren.
Namhafte Müllermeister in Räbke
Nach Joachim Lehrmann
Wilhelm Friedrich Wahnschaffe – Pionier des Papierfachs : Installation des zukunftsweisenden ersten Holländischen Lumpen-Mahlgeschirrs in „Niedersachsen“, anstelle der althergebrachten Deutschen Lumpen-Stampfgeschirre — s.o.
Johann Ernst Schaarschmidt – Pionier des Papierfachs : Erprobung zukunftsweisender Materialien/Holzpapier etc. statt der bisher fast ausschließlich genutzten und sehr rar gewordenen weißen Leinenlumpen zur Papierherstellung — s. o.
Hans Wanschape – Müllermeister zu Räbke und Frellstedt, geb. Räbke 14.01.1657, gest. Frellstedt 14.04.1720, Vater des Drosten und vielfachen Domänen- und Rittergutsbesitzers Georg Wilhelm Wahnschaffe. Von beiden sind Bildnisse vorhanden (Lehrmann, S. 202 u. 240). Der spätere preußische Oberamtmann und Braunschweigische Drost ist zu seiner Zeit als Pächter der Domäne Schickelsheim 1743 in Räbke am Sturm auf die Obermühle beteiligt. Er ist zugleich Enkel des Räbker Papiermühlengründers (nach dem 30-jähr. Krieg) Ernst Wanschape.