Mühlengeschichte des Mühlendorfs Räbke

Die Mit­tel­müh­le als Senf­mühle

Gekürz­ter Bericht aus der Räb­ker Chro­nik — Ver­fas­ser Otmar Lam­pe

DieVor­ge­schich­te bis zum Jahr 1900 ent­nimmt der wirk­lich inter­es­sier­te Leser dem aus­führ­lich gehal­te­nen Buch „Geschich­te der Papier­müh­len zu Räb­ke“, Sei­te 141–181, geschrie­ben von J. Lehr­mann. Ich set­ze vor­aus, daß jeder Hei­mat­freund und Orts­his­to­ri­ker im Besitz die­ser wert­vol­len Schrift ist.

Einer Ein­tra­gung im Mili­tär­paß mei­nes Groß­va­ters Albert Lam­pe ist zu ent­neh­men, daß die­ser, der zwei Jah­re im Braun­schwei­gi­schen Infan­te­rie- Regi­ment Nr. 92 gedient hat­te, sich pflicht­ge­mäß am 16.II.00 beim zustän­di­gen Bezirks­feld­we­bel mel­de­te, um die Ver­le­gung sei­nes Wohn­sit­zes von Tim­merlah nach Räb­ke anzu­zei­gen. Ver­ur­sa­che­rin die­ses Orts­wech­sels war eine Tan­te des Groß­va­ters, die, Besit­ze­rin einer Kon­ser­ven­fa­brik in Braun­schweig, inzwi­schen ver­wit­wet und sicher recht wohl­ha­bend, mei­nen Groß­va­ter, damals 32 Jah­re alt und frisch ver­hei­ra­tet, für ihren Plan gewin­nen konn­te.

Es war der Anblick eines seit lan­gem ver­nach­läs­sig­ten und ver­wahr­los­ten Rest­ho­fes. Der Stall uralt und bau­fäl­lig, in der Müh­le reg­ne­te es bis ins obe­re Stock­werk und das Haus­dach war eben­falls repa­ra­tur­be­dürf­tig. Die­se Män­gel wur­den noch über­trof­fen von dem in drei Jahr­zehn­ten erfolg­ten Ver­kauf gro­ßer Tei­le der dazu­ge­hö­ren­den Acker­flä­che. Die Fami­lie des Kauf­manns Hugo Dien aus Schö­nin­gen, durch Kauf Nach­fol­ger der Papier­mül­ler-Fami­lie Schaar­schmidt gewor­den, hat­te von der Sub­stanz gelebt. (60 Jah­re danach nann­ten erfolg­rei­che Poli­ti­ker einen Vor­gang wie die­sen „Gesund­schrump­fung“.)
Die erwähn­ten Män­gel waren mei­nem Groß­va­ter selbst­ver­ständ­lich schon seit einer vor­aus­ge­gan­ge­nen Besich­ti­gung bekannt, die neue Wort­schöp­fung nicht. Jeden­falls mach­te er sich unver­zagt an die Arbeit, begin­nend mit der Instand­set­zung einer Woh­nung. Zim­mer waren genü­gend vor­han­den, denn die bis­her noch im Haus leben­de Frau Lau­ra Dien war zu ihrer Toch­ter gezo­gen. Er nahm die Bestel­lung der ihm geblie­be­nen 25 Mrg. vor bzw. schick­te den über­nom­me­nen Gespann­füh­rer aufs Feld.
Der Acker am Bären­win­kel war schon meh­re­re Jah­re nicht bear­bei­tet wor­den und mit Bren­nes­seln bewach­sen, über die er gera­de noch hin­weg­se­hen konn­te. Zwi­schen­zeit­lich muß­te er mehr­fach zurück nach Tim­merlah um noch dort befind­li­ches Inven­tar mit der Eisen­bahn nach Frell­stedt (Bahn­hof) zu sen­den, so auch die Möbel. Auch Pferd und Acker­wa­gen nah­men mit eini­gen Fahr­ten am Umzug teil. Noch im ers­ten Räb­ker Jahr tra­fen mei­ne Groß­mutter und mein Vater hier ein und in den fol­gen­den Jah­ren wur­de die Fami­lie durch eine Schwes­ter und zwei Brü­der ver­grö­ßert.

Nun ist noch die Müh­le zu erwäh­nen, die auch auf ihre Wie­der­be­le­bung war­te­te. Von die­ser Sache ver­stand mein Groß­va­ter gar nichts, viel­leicht hat­te er schon ein­mal das Inne­re einer Müh­le gese­hen, viel­leicht auch nicht. Wie der Leser des am Anfang erwähn­ten Buches von Joa­chim Lehr­mann weiß, hat­te der 1886 ver­stor­be­ne Hugo Dien die Papier­müh­le in eine Senf­mühle ver­wan­delt und die zur Her­stel­lung von Senf erfor­der­li­chen Gerä­te und Ein­rich­tun­gen beschafft und ein­ge­baut, die noch vier­ein­halb Jahr­zehn­te ihrer Arbeit ver­rich­ten soll­ten, natür­lich nicht im Schicht­be­trieb, son­dern jeweils nach Bedarf.

Der Groß­va­ter fand den erfor­der­li­chen Fach­mann in Räb­ke : Fried­rich Mosel, ein ent­fern­ter Ver­wand­ter der Lau­ra Dien, hat­te bereits für die­se gear­bei­tet und zöger­te nicht, sein Wis­sen und Kön­nen „ein­zu­brin­gen“ bzw. mei­nem Groß­va­ter zu ver­mit­teln.

Somit lief die Pro­duk­ti­on an. Eine Rei­he von Abneh­mern, „Tan­te Emma-Läden“ wie sie in heu­ti­ger Über­heb­lich­keit genannt wer­den, war sicher noch vor­han­den und neue Kund­schaft, auch Groß­händ­ler, waren gewon­nen. Der Ver­kauf von Tafel­senf erfolg­te in Holz­fäs­sern unter­schied­li­cher Grö­ße und die Aus­lie­fe­rung fand im Umkreis von etwa 15 km mit Pferd und Wagen statt.

Abneh­mer in grö­ße­rer Ent­fer­nung wur­den mit der Eisen­bahn belie­fert. Bald wur­de die Hal­tung eines drit­ten Pfer­des unum­gäng­lich, die nach und nach ver­grö­ßer­te land­wirt­schaft­li­che Betriebs­flä­che brauch­te das vol­le Gespann (d. h. zwei Pfer­de) wie auch die vol­le Mit­ar­beit der gesam­ten Fami­lie.

So lief nun der Betrieb über die fol­gen­den Jah­re wei­ter, 1914 wur­de ein neu­er Stall gebaut, dann kehr­te mein Vater aus dem I. Welt­krieg zurück, hei­ra­te­te, ich wur­de gebo­ren, Albert Lam­pe sen. setz­te sich zur Ruhe, Albert Lam­pe jun., mein Vater, über­nahm 1936 unse­ren Hof, den spä­ter ich von 1964 bis 1993 bewirt­schaf­te­te.

Heu­te liegt der Hof und sei­ne wei­te­re Ent­wick­lung in den Hän­den von Axel und San­dra Kanitz, mei­ner Toch­ter.

Durch Kauf und Pacht wur­de bis heu­te eine Betriebs­grö­ße von 74 Mor­gen erreicht, die Müh­le jedoch im II. Welt­krieg still­ge­legt.